PETER BÖSENBERG

in the tummy of cities


DIETER KIESSLING

people in mirror are closer than they appear


Peter Bösenberg

Der Kölner Regisseur und Fotograf Peter Bösenberg zeigt in der Einzelausstellung „in the tummy of cities“ eine Auswahl seiner neuesten Stadtporträts. Bei diesen handelt es sich um Ansichten heutiger urbaner Räume. Es stehen keine touristischen Hotspots im Vordergrund, statt Monumentales sehen wir Diffuses. Stadt ist hier eine Ansammlung von Gebäuden, Verkehr und Menschen, ein flächiges Durcheinander. Bösenberg fokussiert die Kontraste dieses Zusammentreffens, welche von grau bis grell reichen. Durch besonders gewählte Aus- und Anschnitte und aufgrund einer ungewöhnlichen Lichtregie setzen sich die Fotografien gegen vertraute Stadtporträts ab. Verblockte und gestaffelte Perspektiven sowie merkwürdig ineinander verwobene Momente der Flüchtigkeit unterstreichen diesen Zugang.

„in the tummy of cities“ zeigt eilige Fußgänger, geparkte Vespas, wartende Fahrzeuge – alles aus der Perspektive eines am Urbanen Teilnehmenden. Regie führt das Licht, die Dynamik sich kreuzender Ereignisse und das Aufeinandertreffen widersprüchlicher Situationen. Städtische Architektur erscheint in den Aufnahmen nie als Ganzes, sondern als Collage von Fassadenfragmenten, gespiegelt, gebrochen oder verzerrt über das häufig eingebundene Medium Glas. Dessen Partner im städtischen Spiel der Dar- und Verstellung ist mit künstlichen Farben und Formen die Werbung, auf Schildern, von Bannern, von Schaufenstern und, sich immer in Konkurrenz mit überall gegenwärtigen Graffitis befindend. Ein Beispiel ist das Bild „Spiegelung“: Es zeigt links einen Rücken mit Feinripp durch die Trennscheibe einer Bushaltestelle, dahinter ein Trottoir mit verwahrloster Reklametafel und rechts ein kleines Stück Jacke, so dekontextualisiert in Größe, Form und Farbe wie der Rest von Bösenbergs Stadtportäts. Es lässt uns im Unklaren, wer eigentlich porträtiert wird, ob das Urbane, der Urbane oder die Urbanität.

Ob der fotografierte Mischraum sich bei Bösenberg durch das Inbezugsetzen von öffentlichen Formen bildet und die jeweiligen Personen darin einbettet, oder ob es die einzelnen Personen sind, welche die infrastrukturellen Flächen zu einem städtischen Tiefenraum formen, ist nicht auszumachen. „in the tummy of cities“ zeigt vielmehr, welche Personen, Gebäude und welcher Verkehr einem städtischen Raum fragile Konstanz verleihen und, noch wichtiger, überhaupt verleihen können. Weiter demonstriert die Ausstellung, dass unsere Wahrnehmung des Urbanen nicht mehr über Ordnung und Struktur funktioniert, sondern nur noch über, aus, und mit unserem Inneren. Sehen und Bewegen bilden dabei eine intuitive Einheit.


The Cologne-based film director and photographer Peter Bösenberg is presenting a selection of his most recent city portraits in the solo show "in the tummy of cities". His works present views of today's urban spaces, without the touristy hotspots in the foreground - instead of the monumental, we catch a glimpse of the diffused. "City" stands for an accumulation of buildings, traffic and people - a layered chaos. Bösenberg focuses on the contrasts of these layers, ranging from grey to glaring. Carefully chosen frames and cut-outs, combined with unusually choreographed lighting, set these photographs apart from the familiar city portraits. This approach is underlined further by the blocked-off and staggered perspectives as well as the interwoven moments of cursoriness.

"in the tummy of cities" depicts hasty pedestrians, parked scooters, waiting vehicles - all from the perspective of an urban participant. Light, the dynamics of interlacing events and the clashing of conflicting situations are the elements that set the stage. Urban architecture is never shown as a whole, but rather as a fragment of facades, often reflected, broken or distorted via a reoccurring media: glass. Its counterpart in this urban game of display and disguise is the advertising on signposts, banners and window displays - permanently competing with the omnipresent graffitis. One example is the photo "Spiegelung" (reflection): It shows, to the left, someone's back, seen through the glass wall of a bus stop. In the background, a footpath together with an abandoned billboard. And to the right, a small fraction of a jacket, decontextualised in size, form and colour, just like the rest of Bösenberg's city portraits. It leaves us guessing as to what is being portrayed: the urban being, urbanity, the urban life?

It remains unclear whether Bösenberg's mixed spaces are formed by the juxtaposition of public forms in which the people are embedded, or if it is the individuals themselves, who give the infrastructural layers a notion of urban depth. "in the tummy of cities" shows rather, which people, buildings and infrastructures, contribute a fragile consistency to an urban space and, more importantly, how they are able to do so. Further, the exhibition demonstrates how our perception of the urban no longer operates via order and structure but from within ourselves. Seeing and moving form an intuitive bond.

Dieter Kiessling

Sich porträtieren zu lassen setzt zwei Akteure voraus, den Fotografen und den Porträtierten. Zueinander stehen sie in einem Abhängigkeitsverhältnis, denn während der eine über den richtigen Moment der Aufnahme entscheidet, kann der andere ihn nur erwarten. Gleichzeitig liegt es in der Hand des Porträtierten, mittels verschiedener Posen den Fotografen zu einer Entscheidung zu nötigen. Der Fotograf kann seinerseits in diesem Wechselspiel zu ungewöhnlichen Perspektiven und Bildausschnitten greifen, sich selbst dabei in Bewegungsposen begeben. Die Verstellung in der Pose wird zudem durch den Umstand erleichtert, dass sich zwischen den Porträtierten und dem Porträtierendem der technische Apparat in Form des Kameravolumens, des Stativs und der Beleuchtung schiebt.

Dieter Kiessling bringt dieses ungleiche Verhältnis in seiner 2013 entstandenen Fotoreihe „people in mirror are closer than they appear“ zum Kippen, indem er beide Akteure nebeneinander stellt und in einen Spiegel schauen lässt. Die Bewegungs- und Darstellungsaktivität beider wird dadurch minimiert. Das posenhafte Agieren vor der Kamera auf der einen Seite und das suchende Hantieren und Auslösen der Kamera auf der anderen Seite weicht einem sachlichen Ernst. Die Aufmerksamkeit füreinander im Nebeneinander des Stehens bestimmt jetzt das Verhältnis. Außerdem ist der Porträtierende selbst Teil des Bildgeschehens.

Darüber hinaus wird aus der Zweiersituation der Porträtfotografie eine Dreiecksbeziehung. Denn der Düsseldorfer Medienkünstler wählt die Größe der Porträts so, dass sie die Möglichkeit eines Rollentausches bieten. Dargestellt in etwa 90 Prozent ihrer realen Größe, nimmt der Betrachter die Porträtierten als reales Gegenüber wahr. Er fragt sich unwillkürlich: Wie würde ich auf dem Bild dastehen? So treffen sich Blicke in dieser Anordnung mehrfach, im Spiegel, in der Kamera, in uns. Für den ersten Moment ist dabei nicht klar, dass einzig unser Blick in dieser Konstellation nicht erwidert wird. Wir Betrachter positionieren uns, nehmen vielleicht sogar eine Pose ein, vergleichen die Körperhaltung mit dem Gegenüber: Sind wir entspannt oder angespannt, betont aufmerksam oder betont gefasst? Der Blick des Porträtierten nach außen wird zu einem Blick auf unser Inneres, zu einem Imaginieren des auslösenden Moments mit seinen Entscheidungen hin auf gültige Dauerhaftigkeit.

To be portrayed presupposes two protagonists, the sitter and the photographer. They exist in a dependent relationship since the one decides the proper moment to take the photograph while the other can only wait for it to happen. At the same time, however, the sitter forces the photographer to make a decision by the means of various poses. The photographer may in turn employ unusual perspectives and details of the picture in this interplay as well as move through various poses. The adjustment of the poses is facilitated by the fact that the technical apparatus, in the form of a camera, tripod and lighting, shifts between the photographer and the sitter.

Dieter Kiessling overturns this uneven relationship in his 2013 series of photos “people in mirror are closer than they appear” in which he juxtaposes the two protagonists, allowing them a glance in the mirror. Thereby the movement and representational activities are minimized. The pose-like behavior in front of the camera on the one side and the searching, handling and manipulation of the camera on the other side, both give way to an objective seriousness. Paying attention to one another determines the relationship now in this juxtaposition of standing. The photographer is also part of the depicted matter.

Moreover, a triangular relationship emerges from this duo. By the choice of the size of the portraits, the media artist from Dusseldorf makes a role reversal possible. Depicted in approximately 90 percent of their real size, the viewer perceives the sitters as a real counterpart. One is unable to help but wonder: how would I stand in the picture? In this way, eyes meet many times over in this arrangement, in the mirror, in the camera, in us. At first it is unclear that the only gaze not reciprocated in this constellation is ours. As viewers, we position ourselves, perhaps even strike a pose, to compare body postures with the one opposite: are we relaxed or tense, emphatically attentive or emphatically composed? The outward gaze of the portrayed becomes a view into our inner selves, an imagining of the triggering moment with its decisions towards a valid permanence.