David Semper

FOYER

March 17 – May 3, 2024

David Sempers bildhauerisches Werk greift auf die Ausgangsbedeutung des Wortes Architektur: ‚einen Anfang setzen und bearbeiten’ zurück. Er denkt über das Ursprüngliche, den Grund, auf dem alles entsteht, über das Sich-Bilden von Anfängen und ihres Bearbeitens nach.
Gleichzeitig benutzt er Architektur als Rahmen oder als Hintergrund, um darin seine Eingriffe und Setzungen zu markieren. Er möchte Raumhaftigkeit erleben lassen, indem er in den gebauten Raum eingreift. Seine Markierungen arbeiten mit oder im Stofflichen der Architektur. Sie machen das Wechselverhältnis in der Architektur von Innerem und Äußeren, der Erscheinungsweise der Hülle der Architektur erlebbar. Semper greift dafür immer wieder in ihre beiden Grundelemente, Traggerüst und Wand ein und thematisiert zugleich die beiden Dimensionen von Architektur, Horizontalität und Vertikalität.
In seiner letzten Ausstellung legte er die Hälften von Eierschalen in die Wand ein oder steckte in sie Papiere. Innere Spannung in den Höhlungsformen und den Linienformen der gewölbten Papiere und zugleich unterschiedlicher Glanz oder Mattigkeit in den Oberflächen drückten sich darin aus.
In dieser Ausstellung macht Semper durch Einritzungen und Einlegen von Markierungsschnüren die Gespanntheit und die Erschlaffung, sowie das Auf und Ab in den Linienverläufen sichtbar. Mit der Spannung von Schnüren erzeugt man beim Bauen Geradheit, zugleich misst man damit Längen, bestimmt Verhältnisse, Proportionen, um im bauschaffenden Prozess Maßbestimmtheiten zu erzeugen.
In den von der Architektur geschaffenen Räumen leben wir. Unsere eigene Lebenslinie verbindet sich mit ihr, weil sich innerhalb dieser Räume ein Großteil des Auf- und Ab unseres Lebens abspielt. Zugleich aber kann es nicht nur den inneren Gang, sondern auch den äußeren Gang der Topographie um uns herum kartieren. Semper illustriert aber nicht. Seine Lebenslinien sind nicht aufgemalt, sondern eingeritzt und eingelegt. Sie sind etwas Inneres in der Wand, welches nach außen tritt an der Nahtstelle zur Oberfläche. Die Ritzungen machen die Stofflichkeit sichtbar.
Über ‚Stofflichkeit nachzusinnen’ ist ein anderes Grundinteresse seiner Arbeit. Dazu gehört, Stofflichkeitsbestandteile zu trennen, sowie Stofflichkeitsveränderungen zu beobachten und ihr unterschwelliges Wirken an die Oberfläche zu bringen. Elementare Stofflichkeitsveränderungen bewirkt das Feuer. Diese können paradoxerweise sowohl weiß (beim Alabaster) wie auch schwarz in Form von Rußschwaden sein. Der Alabaster ist Gips, welches sich unter Druck und Wasser eine Kristallform gegeben hat. Aufgrund der Kristallform kann man Alabaster zu dünnen Platten schneiden, die eine feine Transparenz durchscheinen lassen. Im Mittelalter wurden Kirchenfenster aus Alabasterscheiben hergestellt, als die Verarbeitung von völlig transparentem Glas noch Mühe bereitete. Wird Alabaster erhitzt, dann treibt man das Wasser heraus und es erscheint als weißer Gips.
Eine brennende Kerze erzeugt in der Luft Ruß. Dessen Hinterlassenschaft kann sich an Flächen niederschlagen. Die freie Beweglichkeit des Feuers kann sich als Sediment absetzen. Diese Ablagerungen können einlagert werden, wenn der niedergeschlagene Ruß in feuchten Putz gedrückt wird. Es entsteht dann eine faszinierende Mischung aus Dunkelheit und Helligkeitskreisen. Auch Einlagerungen sind ein Vorgang, der mit dem Bauen, mit dem Errichten von Architektur verbunden ist. Hier schließt sich der Kreis.
Sempers Ausstellung hat den Titel ‚Foyer’. Foyer ist der Vorraum, der Zugang zu den Räumen. Das Foyer lässt uns eintreten und ist der Anfang, von dem aus wir uns wegbewegen in die Verästelungen oder in die Räume unseres Lebens.

Installation Views

David Semper, BREITENGRAD (FO #2), 2024, Blauer Kreiderückstand, Schlagschnur, 237,5cm

Installationviews Hengesbach Gallery, 2024
Fotos: Dirk Wüstenhagen

David Semper’s sculptural work returns to the original meaning of the word ‚architecture‘: ‚to initiate and shape.‘ He reflects on the primal, the foundation upon which everything is built, on the formation of beginnings and their processing. At the same time, he uses architecture as a frame or background to mark his interventions and placements. He wants to allow one to experience spatiality by intervening in built space. His markings work with or in the materiality of architecture. They make the interrelationship in architecture of the inside and outside, the appearance of the architectural envelope, tangible. For this, Semper repeatedly intervenes in its two basic elements, the framework and wall, and at the same time, he addresses the two dimensions of architecture, horizontality and verticality.
In his last exhibition, he embedded halves of eggshells into the wall or inserted papers into them. Internal tension in the forms of cavities and the lines of the curved papers, as well as varying sheen or mattness in the surfaces, were expressed in this way.
In this exhibition, Semper makes visible the tension and slackness, as well as the ups and downs in the line progressions, through engravings and the insertion of marking cords. With the tension of cords, straightness is created during construction, while at the same time, lengths are measured, ratios and proportions are determined, in order to create measures of precision in the process of building.
We live in spaces created by architecture. Our own lifeline connects with it because a large part of the ups and downs of our lives takes place within these spaces. Yet, it can also map not only the inner course but also the outer course of the topography around us. However, Semper does not illustrate. His lifelines are not painted on, but engraved and inserted. They are something internal in the wall that comes to the surface at the joint. The engravings make the materiality visible.
Reflecting on ‚materiality‘ is another fundamental interest of his work. This includes separating components of materiality, as well as observing changes in materiality and bringing their subtle effects to the surface. Elemental changes in materiality are caused by fire. These can paradoxically be either white (with alabaster) or black in the form of soot. Alabaster is gypsum which has taken on a crystalline form under pressure and water. Due to the crystalline form, alabaster can be cut into thin sheets that allow a fine transparency. In the Middle Ages, church windows were made of alabaster slabs when the processing of completely transparent glass was still cumbersome. When alabaster is heated, the water is driven out and it appears as white gypsum.
A burning candle produces soot in the air. Its residue can settle on surfaces. The free mobility of the fire can settle as sediment. These deposits can be embedded when the settled soot is pressed into moist plaster. This results in a fascinating mix of darkness and circles of brightness. Embedding is also a process associated with building, with the erection of architecture. Here the circle closes.
Semper’s exhibition is titled ‚Foyer‘. A foyer is the anteroom, the access to the rooms. The foyer allows us to enter and is the beginning from which we move away into the branches or into the rooms of our lives.