Moritz Neuhoff
31. August – 2. November 2025














Fotos: Dirk Wüstenhagen
Dem eindringlichen Flirren, Flackern, Gleißen nicht ausweichen, sich hineinsaugen lassen von einem magischen Farblicht. Zum großen Teil ist diese Welt eher dunkel und muss scheinbar mit künstlichem Licht wie Neon angestrahlt werden, welches hier aber aus dem Bild selbst heraustritt und ihm nicht etwa von außen zugeführt wird. Trotz der Dunkelheit wird eine intensive chromatische Farbigkeit freigesetzt. Zugleich wird den permanenten Veränderungen in unserer Welt Raum gegeben, denn unterschiedlich schnelle Bewegungen durchzucken die Bilder.
Jugendliche könnten sich an Erfahrungen mit Computerbildschirmen erinnert fühlen, wenn sie dort in das digitale Farbrauschen ihrer Spiele, in das Hin- und Herschalten zwischen verschiedenen Ebenen hineingezogen werden, in wegrutschende Welten von keiner vorausberechenbaren Verständlichkeit. Allerdings erzählt Neuhoff keine Geschichten, bemüht keine Animationen, sondern entwickelt seine Bildstrukturen rein aus der Malerei. Seine Malweisen sind jedoch nicht konventioneller Natur, stattdessen setzt er mit ihnen einen Einschnitt in der Geschichte der Malerei, denn er trennt die Materialität des Malmaterials von der der Farbe. Außerdem arbeitet er mit mehreren Überlagerungsschichten, die sich durchdringen, aufeinander einwirken, so dass die Vorgänge seines Tuns sich nicht mehr erschließen lassen und wie ein Hexenwerk aussehen. Das baut eine visuelle Komplexität und gleichzeitig beständige Irritationen auf. Ordnungshaftes Vorgehen auf der einen Seite werden durch starke Dynamiken von unterschiedlichsten Bewegungsstrategien auf der anderen Seite hintertrieben. Rasterformen oder wellenartige bzw. linearschichtige Module sind permanent von überlagernden Bewegungen gefährdet oder angegriffen.
Deswegen werden wir beim Sehen beständig umhergetrieben, schwanken, driften, sind hin- und hergerissen, welchen Bewegungsänderungen, welchen der unterschiedlichen Geschwindigkeiten wir mit unserem Auge folgen wollen. Es gibt bei der Betrachtung seiner Bilder keinen Anfang und kein Ende. Außerdem sind die visuellen Anmutungen von weitem andere als von nahem, weil sich hier die Farbe in unendlich viele Partikel auseinanderwebt und weicher wird.
Gerade in den neueren Bildern scheinen zusätzlich zwei neue Komponenten hineinzuspielen, die auch den Titel der Ausstellung verständlich machen: SHIFT. Die Bildfläche scheint sich häufig selbst zu zersprengen. Zusammenhänge sind noch stärker fragmentiert, die visuellen Splitter haben zugenommen. Gleichzeitig liegen diese Splitter nicht wie nach einem Zerstörungswerk statisch umher, sondern sind in den allgemeinen Bewegungsdrive miteingebunden und offenbaren darin eine noch empfindlichere Verletzlichkeit. Außerdem ist die Feinheit der Farbverschiebungen gesteigert. Mitunter scheinen die Bilder farbentleert, aber je nach Betrachterperspektive kehrt die Farbe in feinen Nuancen zurück, – man muss sich nur entsprechend darauf konzentrieren.
Dieses ganze Geschehen ist durchsetzt von materialen Widersprüchlichkeiten, die uns glauben lassen, dass das Digitale hier doch seinen Einzug erhalten hat, dass ein allmächtiger digitaler Geist dies alles konstruiert hat.
Die Souveränität der Bilder verstecken die in ihnen beheimatete Emotionalität und gefühlvolle Lebendigkeit; und es ist kaum glaubhaft, zu welchem Mimikry die materiale Erscheinungswelt sich durch Neuhoffs Zauberstäbe verführen lässt. Aber gerade das entspricht unserem stark gewandelten Bild unserer eigenen Selbstvergewisserungs- und Freiheitsmöglichkeiten. Es macht uns bewusst, wie stark wir uns in den letzten 80 Jahren von den bildlich einfachen Formen menschlicher Selbstentäußerung entfernen mussten, um mit der Kunst auf der Höhe zu bleiben im Hinblick auf ein kritisches Sensorium unserer Befindlichkeitsbewertungen.
Rolf Hengesbach